Ägyptologie und Koptologie
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Institutsgeschichte

VON BISSING BIS MÜLLER – EINE KLEINE GESCHICHTE DES MÜNCHNER INSTITUTS FÜR ÄGYPTOLOGIE 

von Thomas Beckh, M.A.

Dieser kurze Abriss zur Geschichte des Instituts für Ägyptologie der Ludwig-Maximilians-Universität München erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, soll jedoch einen Einblick vermitteln, an welchen Lokalitäten das Institut seit seiner Gründung anzutreffen war und welche Personen an ihm lehrten, beziehungsweise eng mit ihm verknüpft waren und es maßgeblich prägten.

Bei den ersten beiden Personen, die damit an dieser Stelle zu nennen sind, handelt es sich um Karl Dyroff und Friedrich Wilhelm von Bissing. Der Erman-Schüler Dyroff, der als einer der Ersten Kurse zu ägyptologischen Themen hält und 1906 die außerordentliche Professur für das Fach „Ägyptologie und semitische Sprachen“ erteilt bekommt, ist gleichzeitig zu seiner universitären Tätigkeit auch noch Hauptkonservator der ägyptologischen Abteilung am Museum antiker Kleinkunst in München und hält bis ins hohe Alter Vorlesungen an der Universität. Er lehrt Ägyptologie an der Universität München, lange bevor es zur eigentlichen Institutsgründung im Jahre 1923 kommt. Dyroff verstirbt im Alter von 76 Jahren am 12.11.1938. Entscheidender für die Etablierung der Ägyptologie in München ist allerdings die zweite oben genannte Person: Friedrich Wilhelm von Bissing. Er wird am 22.4.1873 in Potsdam geboren. Seine Eltern sind Mhyrra Wesendonck und Moritz von Bissing, der spätere Generalgouverneur des deutschbesetzten Belgien. Bissing studiert in Bonn und Berlin Ägyptologie, arbeitet aber auch am Ägyptischen Museum Kairo an der Erstellung des Generalkatalogs mit und finanziert zusammen mit dem Berliner Museum unter der Leitung von Ludwig Borchardt seine erste Grabung. Ab 1901 widmet sich Bissing vor allem dem Ausbau seiner Sammlung von ägyptischen Antiken und seiner universitären Karriere. 1905 wird er an der LMU München zum Professor für Ägyptologie ernannt und unterrichtet seine Studenten, bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs, bei sich zu Hause in der Georgenstraße, wo er seine Fachbibliothek und seine eigene Sammlung zu Unterrichtszwecken zur Verfügung stellt. Während den Kriegsjahren wird er von seinem Vater nach Belgien berufen und arbeitet dort am Aufbau der Universität Gent mit, Vorlesungen für das Fach Ägyptologie entfallen in dieser Zeit damit vollständig. Dies ändert sich erst mit dem Ende des Krieges, als Bissing 1918 zurück nach München kommt und seine Vorlesungstätigkeit wieder aufnimmt. Da er allerdings zutiefst deutschnational eingestellt ist, fällt es ihm zunehmend schwerer, sich mit den politischen Verhältnissen der Weimarer Republik zu arrangieren und nimmt deshalb 1922 einen Ruf an die Universität von Utrecht an. Bei seinem Weggang spendet Bissing der LMU eine erhebliche Summe zur Errichtung eines Instituts für Ägyptologie. Zwar kehrt er bereits 1926 wieder nach Deutschland zurück, da er sich in Holland durch seine radikalen Äußerungen unbeliebt gemacht hat, seine Vorlesungstätigkeit nimmt er allerdings nicht wieder auf. Vielmehr versucht er in den folgenden Jahren, vor allem im Dunstkreis der NSDAP, politisch Karriere zu machen. Dies scheitert allerdings und endet mit dem Ausschluss Bissings aus der NSDAP im Jahre 1937, da er, wegen einer von ihm geäußerten Kritik an Adolf Hitler, denunziert wird. Friedrich von Bissing verstirbt im Jahr 1956 in Oberaudorf am Inn.

Sein Nachfolger als Professor für Ägyptologie an der LMU München wird der Strassburger Professor Wilhelm Spiegelberg. Er ist als der eigentliche Gründungsvater des heutigen Instituts für Ägyptologie anzusehen, denn mit seiner Berufung im Jahr 1923 wird gleichzeitig die Errichtung des „Seminars für    Ägyptologie“ an der LMU genehmigt. Spiegelberg steht jedoch vor dem absoluten Neuanfang, da das neugegründete Institut weder über eine Unterbringung, noch über eine eigene Bibliothek oder über Anschauungsmaterial verfügt. Dass er bereits 1926 eine positive Bilanz ziehen kann, liegt vor allem an seinem persönlichen Engagement, denn er stellt seine private Bibliothek den Institutszwecken zur Verfügung und legt damit den Grundstock für die heutige umfangreiche Bibliothek des Instituts. Gleichzeitig gelingt es ihm, mehrere Spenden von Privatleuten und öffentlichen Einrichtungen zu erhalten und damit die wichtigsten Bedürfnisse des neuen Instituts zu decken. Von der   Universität erhält Spiegelberg zwei Räume im Hauptgebäude der LMU zugeteilt, einmal den Raum 144 und schließlich noch im Jahr 1926 den Raum 224a - eine umgebaute Toilette. Unterstützung erfährt Spiegelberg in diesen Jahren vor allem durch Theodor Dombart, Professor für Geschichte der Baukunst im alten Orient und in der Antike, und Wilhelm Hengstenberg, Professor für Sprachen des christlichen Orients, die ihn beim Aufbau des Seminars und durch ihre Vorlesungstätigkeit unterstützen. In den folgenden Jahren beschäftigt sich Spiegelberg vor allem mit der Erstellung eines demotischen Wörterbuchs und unternimmt in den Jahren 1927, 1928 und 1929 mehrere Reisen nach Ägypten. Ein „Highlight“ am Seminar ist 1927 der Besuch Thomas Manns, der bei Spiegelberg um Rat für die geschichtlichen Hintergründe seiner „Josephsromane“ ersucht, den dieser ihm gewährt und so maßgeblich zur Entstehung des Werkes beiträgt. Spiegelberg verstirbt 1930 unerwartet im Alter von 60 Jahren, die Arbeiten an seinem demotischen Wörterbuch konnte er nicht mehr vollenden. Bis zur Wiederbesetzung des Lehrstuhls im Jahr 1932 mit Alexander Scharff vertritt Gotthelf Bergsträßer, Professor für Semitistik an der LMU, die Leitung des Seminars für Ägyptologie.

Mit der Berufung Alexander Scharffs wird der Mann nach München geholt, dem die Aufgabe zufällt, das Seminar für Ägyptologie durch die Zeit des Nationalsozialismus und den nach dem Krieg notwendigen Wiederaufbau zu führen. Zunächst muss Scharff allerdings den Umzug des Seminars regeln, denn da die bisherigen Räumlichkeiten zu klein sind, wird das Seminar in die Parterreräume der Residenz am Hofgarten umgesiedelt. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 beginnt für Scharff eine Gratwanderung, da er dem neuen System nicht freundlich gegenübersteht, sondern vielmehr versucht, das Münchner Seminar zu einem antifaschistischen Zentrum der deutschsprachigen Ägyptologie zu machen. Dies zeigt sich nicht nur in der Gründung der Zeitschrift „Ägyptologische Forschungen“ im Jahr 1936, die zum Ziel hat, junge Ägyptologen zu fördern, die nicht systemkonform oder  arisch sind, sondern vor allem auch in der Auswahl der von ihm geförderten Studenten. Hier sind vor allem Hellmut Brunner, Hanns Stock und Hans Wolfgang Müller zu nennen, die ohne Scharffs Unterstützung keine wissenschaftliche Karriere hätten machen können. Hellmut Brunner wurde wegen seiner SPD-Vergangenheit nur durch die Intervention Scharffs zur Promotion zugelassen, Hanns Stock wurde aufgrund seiner christlichen Erziehung bei den Jesuiten unter Beobachtung gehalten, und Hans Wolfgang Müller war mit einer Halbjüdin verheiratet. Durch die Förderung dieser Studenten setzt sich Scharff einem nicht zu unterschätzenden persönlichen Risiko aus, umso schmerzvoller ist deshalb für ihn, dass sich Brunner, den er 1939 zum Assistenten am Seminar ernennt, zunehmend nationalsozialistisch engagiert und schließlich sogar gegen seinen Mentor Scharff intrigiert. Mit dem Beginn des Krieges ändert sich die Situation stark, da alle drei Schützlinge Scharffs eingezogen werden und die Belange des Seminars in den Hintergrund treten. Stark betroffen werden von den 1943 beginnenden Luftangriffen die Räume des Seminars in der Residenz, die fast vollständig zerstört werden. Der Schaden für das Seminar ist allerdings gering, da es Scharff rechtzeitig gelungen war, das Inventar mit Hilfe seiner verbliebenen Studenten nach Lenggries zu evakuieren. Der extreme Stress geht an Scharff allerdings nicht spurlos vorüber, und so erleidet er 1944 einen leichten Schlaganfall. Dies und die Brandkatastrophe von 1944, der das Hauptgebäude der Universität zum Opfer fällt, markieren das Ende des Unterrichtsbetriebes in der Zeit des Nationalsozialismus. Interessant ist, dass Scharff, aufgrund seines guten Leumundes, von der Militärregierung 1945 in seinem Amt belassen wird und sogar noch zum Mitglied des Gründungs- und Reinigungsausschusses ernannt wird. Diese Stellung ermöglicht es ihm, Hanns Stock und Hans Wolfgang Müller wieder an die   Universität zu holen und ihnen ein positives Gutachten für ihr Entnazifizierungsverfahren zu schreiben. Beide wirken stark am Wiederaufbau des Seminars, das aufgrund der Zerstörung der Residenz in die Meiserstraße 10 ausgelagert wurde, und der Universität mit. Für Brunner verläuft das Entnazifizierungsverfahren nicht gut, denn aufgrund der Aussagen Scharffs werden ihm in Abwesenheit seine Posten als Dozent und wissenschaftlicher Assistent entzogen und seine Akte erhält den Vermerk, dass er nicht wieder in einer amtlichen Eigenschaft oder in einer Dienst- oder Regierungsstelle beschäftigt werden darf. Umso erstaunlicher ist es, dass er bereits 1951 wieder einen Lehrauftrag für Ägyptologie in Tübingen bekommt. Mit dem Tod Alexander Scharffs geht am 12.11.1950 in München eine Ära zuende, denn keine andere Person der Vor- und Nachkriegszeit hat die Geschichte der Ägyptologie in München in entscheidenderem Maße geprägt als er.

Sein Nachfolger wird zuerst Hanns Stock, der die Institutsleitung aber bereits 1957 aufgibt, um die Leitung des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo zu übernehmen. 1958 wurde Hans-Wolfgang Müller die Leitung des Instituts übertragen, nachdem er bereits zuvor mit der kommissarischen Leitung betraut worden war.

Mit Hans-Wolfgang Müller endet an dieser Stelle der kurze Geschichtsabriss, da für ihn bereits gesetzliche Regelungen greifen, die eine Akteneinsichtnahme verhindern. Auch seine Nachfolger Winfried Barta und Günter Burkard konnten aus demselben Grund nicht in den vorliegenden Aufsatz eingearbeitet werden. Dieses Kapitel der Institutsgeschichte bleibt damit späteren Generationen vorbehalten.

(Bei dem vorliegenden Artikel handelt es sich um eine Kurzversion der Magisterarbeit von T. Beckh, Das Seminar für Ägyptologie der Ludwig-Maximilians-Universität München im 20. Jahrhundert. Alle Zitate und Literaturbelege, die in diesem Artikel Verwendung fanden, können in dem eben erwähnten Werk nachgeschlagen werden und werden deshalb hier nicht extra aufgelistet. Anm.d.Verf.)