Ägyptologie und Koptologie
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Koptische nichtliterarische Texte aus dem thebanischen Raum

  • Projektleitung: Dr. Suzana Hodak
  • Projektverantwortlicher: Prof. Dr. Günter Burkard
  • Fördergeber: DFG (seit 2008)
  • Informationen auf der Homepage von Koptische Ostraka online

Das thebanische Westufer entwickelte sich seit dem 6. Jh. zu einem Hort blühenden Lebens, in dem neben verschiedenen dörflichen und städtischen Ansiedlungen vor allem das monastische Ideal nach asketischem oder koinobitischem Modell gelebt wurde.

Zeugnis hiervon legen neben archäologischen Überresten im Besonderen die schriftlichen Hinterlassenschaften ab. Diese unpublizierten Textquellen – in erster Linie Ostraka, d. h. Keramik- oder Kalksteinscherben, sind Gegenstand dieses Projektes, das seit 2008 von der Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. Den inhaltlichen Schwerpunkt bilden aktuell die Textfunde aus der Klosteranlage von Deir el-Bachit in Dra’ Abu el-Naga. Hierzu zählen sowohl die Texte aus dem Zentrum des Klosters auf der Hügelkuppe als auch die Funde aus den zugehörigen Wirtschaftsanlagen in der nachgenutzten Doppelgrabanlage K 93/11-12 unterhalb der Hauptanlage (siehe hierzu im Detail im gesonderten Forschungsbericht auf der Homepage). Weitere unpublizierte Textbestände aus dem thebanischen Raum sind in Vorbereitung.

 

Abb. 1: Kamellieferung an Getreide

Abb. 1: Kamellieferung an Getreide

Aus den beiden Komplexen von Deir el-Bachit kamen bislang weit über 2000 Textzeugen auf Ostraka nebst Papyri und Pergamentfragmenten zu Tage, die Aufschluss geben über das vielfältige Alltagsleben in dieser nach derzeitigem Kenntnisstand größten Klosteranlage auf dem thebanischen Westufer. Bei den Texten handelt es sich bei weit über 90% um koptische Textzeugen, lediglich ein kleiner Teil ist in griechischer Sprache verfasst. Das Gros der Texte bilden Briefe, die in informeller Weise die verschiedenen Belange des Alltagsgeschäftes regeln. Daneben finden sich aber auch verschiedene Urkunden als Dokumente offiziellen Charakters. Zu den Texten, die über den Wirtschaftsverkehr des Klosters Auskunft geben, zählen etwa Rechnungen, Lieferlisten von Waren (s. Abb. 1) oder auch ehemals von vollständigen Gefäßen stammende beschriftete Keramikfragmente, die eine Mengen- oder Inhaltsangabe des betreffenden Gefäßes enthalten.

 

Abb. 2: Gewicht

Abb. 2: Gewicht

Als Besonderheit fand sich eine Kalksteinknolle, die ihrer Beschriftung nach offenbar als Gewicht gedient hat und ihrer Form nach als „Traube“ betitelt wurde (s. Abb. 2).

 

Abb. 3: Rezept fuer ein Herzleiden

Abb. 3: Rezept für ein Herzleiden

Zur Grundversorgung der Mönche zählte offenbar auch die medizinische Verpflegung. So fanden sich zumindest zwei Rezepte (s. Abb. 3), was hervorzuheben ist, da die Zahl der bekannten koptischen Rezepte recht überschaubar ist.

 

Abb. 4: Griechisch-koptisches Glossar

Abb. 4: Griechisch-koptisches Glossar

Quantitativ hervorstechend mit bislang weit über 130 Belegen sind Textzeugen, die von einer „schulischen“ Ausbildung künden. Diese „Schultexte“ umfassen neben einfachen Schreibübungen von Buchstaben, Alphabetübungen, Wortlisten, darunter auch ein griechisch-koptisches Glossar (s. Abb. 4), auch kurze Diktate oder das Üben von Phrasen sowie Zahlen oder Rechenexempel.

 

Abb. 5: Codeschlüssel: Alphabetbeginn in kryptographischer und entschlüsselter Fassung

Abb. 5: Codeschlüssel: Alphabetbeginn
in kryptographischer und
entschlüsselter Fassung

Hochinteressant sind ferner Texte kryptographischen Charakters, also solche, die einen Verschlüsselungscode verwenden (s. Abb. 5). Schließlich dürfen im klösterlichen Leben auch die Zeugnisse religiöser bzw. spiritueller Natur nicht fehlen. Zu den Zeugnissen der persönlichen Frömmigkeit zählen neben Gebeten oder kurzen Anrufungen an Gott, Jesus oder Heilige auch verschiedene Anleihen aus der Bibel, so vor allem aus den Psalmen.

 

Ein inhaltlicher Schwerpunkt der Textauswertung zielte auch auf die Frage der Identifizierung des antiken Namens der Klosteranlage, deren Bezeichnung „Deir el-Bachit“ modern ist. Was diese Frage anbelangt, so dürfte der entscheidende Durchbruch gelungen sein. Demnach wäre das Kloster von Deir el-Bachit als das bislang lediglich aus einigen wenigen Papyrusurkunden bekannte Pauloskloster von Theben zu identifizieren. Hierzu sei auf die Internetseite des DAI verwiesen (Pressebericht vom 16.10.2011) sowie einen in Kürze erscheinenden Gemeinschaftsartikel (Thomas Beckh, Ina Eichner und Suzana Hodak) in den Mitteilungen des DAI Kairo.

Neben verschiedenen inhaltlichen Informationen bieten die Texte vor allem auch wichtige Daten zur Prosopographie, d. h. die Namen der Menschen, die im Kloster gelebt bzw. mit dem Kloster in Interaktion standen. Dank der genannten Personenkonstellationen sowie dem Zusatz von Titeln lassen sich differenzierte Beziehungsmuster rekonstruieren. Hierbei rücken einige Personen besonders in den Fokus. Hierzu zählt eine Gruppe von Texten, die als wiederkehrenden Personenkreis Anatolios und Pisrael, zuweilen auch Isaak in der Regel als Absender angeben sowie als Adressaten den oder die heiligen Väter Zacharias und Markos. Texte, die diese Personen nennen, konnten zudem in verschiedenen Sammlungsbeständen aufgedeckt werden und sind somit mit einiger Wahrscheinlichkeit nach Deir el-Bachit zu verorten.

Das Textkonvolut von Deir el-Bachit bietet ideale Rahmenbedingungen für verschiedenste Fragestellungen, da ein unmittelbarer interdisziplinärer Forschungsansatz möglich ist. Neben den rein inhaltlichen Aussagen lassen sich die Texte dank exakter Funddaten unmittelbar in Korrelation zum archäologischen Befund stellen. Aber auch das Beschreibmaterial selbst rückt dank der fortgeführten keramologischen Feinuntersuchung in das Blickfeld der Auswertung.

Das Herzstück des vorliegenden Projektes bildet die virtuelle Plattform, auf der die Texte ediert werden. In Anlehnung an die für die hieratischen Texte entwickelte Datenbank „Deir el Medine online“ erfolgt auch die Publikation der koptischen Texte in einer über das Internet zugänglichen Datenbank „KoptO-online“, die in Zusammenarbeit mit der IT-Gruppe Geisteswissenschaften der Universität München entwickelt wird. Die Datenbank beinhaltet nicht nur die Abbildungen der Texte und deren grundlegende Metadaten, die Abschrift des koptischen Textes und seine Übersetzung, sondern eine umfassende grammatische und semantische Analyse sowie verschiedene Abfragemodalitäten. Sie stellt somit eine ideale Grundlage dar auch für die künftige wissenschaftliche Auswertung der Texte.